Rezensionen - ATELIER 227 - Achim R. Tandler

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Rezensionen

Ohne Zweifel kann man Tandler die im Katalogtext unterschobene „Faszination von Weiblichkeit und weiblicher Form“ als Brücke begehen, um sich seinen Bildern zu nähern. Man kann sich Bildern über das Motiv annähern.
Interessanter aber, finde ich, ist allemal, dass jeder der malt oder zeichnet oder druckt, einer einzigen Aufgabe folgt, nämlich Farbe in der Fläche so zu organisieren, dass ein ästhetisch wertiges Ergebnis entsteht. So gesehen ist alle Malerei konkret. Sie bedeutet nichts außer sich selbst. Im Malprozess.
Achim Tandlers Ehrgeiz ist sicherlich nicht, die Welt mit möglichst vielen hübschen Frauen mit kleinen runden Brüsten zu beglücken. Dazu ist er zu klug. Es muss also um etwas anderes als den weiblichen Körper gehen. Dazu ist ja auch die Farbigkeit der Serigrafien viel zu kalkuliert und gewählt ins Schmutzige verschoben, im Übrigen etwas, was ich bei seinen Arbeiten ganz und gar spannend finde. Ich habe noch nie so ein dreckiges und gemeines Blau gesehen, eines, das Zähne zeigt.
Im Katalog schreibt Usch Kiausch zum Siebdruck:
„Beim Siebdruck werden die nichtdruckenden Teile des feinmaschigen Gewebes, das auf Holz- oder Metallrahmen gespannt ist, zur Farbhemmung abgedeckt. Früher bestanden diese einfachen Sperrschichten aus präpariertem Papier, das an die Siebunterseite geheftet wurde, das Motiv wurde dann scherenschnittartig herausgearbeitet. Vor allem in der Werbegraphik der 1920er und 30er Jahre wurde dieses Verfahren viel genutzt. Heute haben lichtempfindliche Kopierschichten, auf die das Druckbild mit transparentem Positiv-Film aufkopiert wird, diese rein manuelle Technik abgelöst. Heute wird auch nicht mehr Naturseide zur Schablonenherstellung verwendet, sondern die wesentlich widerstandsfähigere Polyesterfaser. Aber trotz all dieser technischen Neuerungen sind es immer noch die Sperrschichten, die das Eigentliche hervortreten lassen. Sichtbarkeit und Sperrschicht bedingen einander.“
Achim Tandler geht es also um das Wunder, dass man sozusagen ein Nichts braucht, um etwas zu erhalten. Im Übrigen ist das ein grundsätzliches Problem der Philosophie. Inwiefern die Abwesenheit von etwas mit der Anwesenheit von etwas anderem korreliert.
(Mathias Beck, 2007)
Einführung in die Ausstellung in der Galerie m beck, 11.02.2007



...Zum Plakat: Ob die Bezeichnung "wunderschön" es wirklich trifft, das möchte ich bezweifeln.
Ausdrucksstark ist es zweifelsohne in seiner Düsternis, die ganze Vanitas des barocken Daseins tritt hervor, wie viel Kraft, ja Gewalt liegt in den zupackenden Armen, noch verstärkt durch die blaue Farbe, die das Unerbittliche noch deutlicher hervortreten lassen! Das, was gepackt wird, sollen, so sehe ich es, Skelettteile sein, Knochen, ja? Aussagekräftige Allegorie auf Tod und Vergänglichkeit und das Jüngste Gericht, in dem alles angepackt und entweder erhoben oder aber zermalmt wird. Zeitgemäß ist das Motiv dann noch auf eine nachgerade spielerische Weise, indem es wie selbstverständlich das barocke Symmetriebedürfnis befriedigt.
Schön? Nein! Aber das will es auch nicht sein. Es will etwas über das Werk sagen und das ist wahrlich gelungen.
Für mich ist das Plakat das Beste, was für die Kantorei bisher gemacht wurde. Meinen Glückwunsch an den Künstler!
(Ingo Dierck) Rezension anlässlich der Aufführung des Oratoriums "Das Jüngste Gericht" von Dietrich Buxtehude durch die Stiftskantorei Neustadt an der Weinstraße und das Performance-Team "Tine Duffing und Cocoon", 21.11.2005



...Schön und anziehend ist daneben die Aktmalerei von Achim R. Tandler, der Ausdruck, Bewegung und Körperproportionen ganz wunderbar abbildet...
Aus der Rezension anlässlich der Ausstellung von Künstlern des Kunstvereins Neustadt an der Weinstraße im Wollmagazin, Kaiserslautern,
“Die Rheinpfalz”, 21.03.2005



Klare Farben, die sich kontrastiv vom Hintergrund abheben und eingefangen in dynamischen Linien zu Masken, Porträts und Figuren zusammengefügt sind - Achim Tandlers Bildsprache präsentiert sich zunächst geradlinig und rational, lässt jedoch vielfältige Emotionen zu. Vom 16. Januar bis 11. Februar 2004 zeigt das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung die Grafiken, die der Künstler in einem außergewöhnlichen Verfahren entwickelt – der Serigrafie.
Durch so genannte Sperrschichten werden im Siebdruckverfahren vielgestaltige Strukturen hervorgehoben, die sich ursprünglich nicht abzeichnen. Diese Technik wirkt im künstlerischen Prozess des in Neustadt an der Weinstraße lebenden und arbeitenden Achim Tandler ebenso gestaltgebend wie programmatisch: So wie Sperrschichten Elemente nicht aussperren, sondern sie betonen, vermitteln die schnörkellosen Bilder des Kunstschaffenden ihre innere Botschaft äußerst eindringlich. Die reduzierten Formen und starken Farben geben dem Auge des Betrachters nur wenig Raum für freie Interpretation. Sie werfen seinen Blick vielmehr zurück und ermöglichen damit eine reflexive Betrachtung, die dem Besucher den Zeitgeist eindrucksvoll vergegenwärtigt.
Stilistisch erinnern die Werke des gebürtigen Ludwigshafeners an die Motive und Werke des Künstlerkreises »Brücke«, dem unter anderem Ernst-Ludwig Kirchner und Max Pechstein angehörten. Die Kreativen prägten einen neuen, unverblümten Stil, der sich vom tradierten Kunstbegriff der wilhelminischen Epoche radikal abwendete und bürgerliche Normen kritisch hinterfragte.
Auch Achim Tandlers vielschichtige Werke werfen einen kritischen Blick auf die Gesellschaft, indem sie zentrale Themen expressiv aufbereiten: So bettet der Künstler in seinen Exponaten »Visions Of The Emerald Beyond I-III« die Umrisse bekannter Persönlichkeiten in von ihnen verfasste Originaltexte ein. Unterstrichen durch kräftige Farben entwickeln die Statements von Legenden wie Martin Luther King, dem Dalai Lama und Mahatma Gandhi eine außergewöhnliche Intensität, der sich der Betrachter kaum entziehen kann.
Die Auswahl der Personen deutet darauf hin, dass der frühere Pressefotograf seine künstlerische Inspiration aus verschiedenen Quellen speist. Besonders seine internationalen Kontakte erachtet Achim Tandler als wertvolle Inspiration: »Den Austausch mit Menschen anderer Kulturkreise schätze und genieße ich sehr. Die Techniken und Perspektiven meiner Kollegen aus Fernost und Russland beispielsweise haben meinem Schaffensprozess wichtige Impulse gegeben«, erklärt der 44jährige. Die Ausstellungen des vielseitig interessierten Kunstschaffenden bezeugen, dass neben seinen Kontakten auch die Akzeptanz seiner Werke die Sperrschichten in Form von Landesgrenzen längst überwunden haben. Seit 1988 realisierte Achim Tandler Ausstellungen im Erdei-Museum in Kecskemet (Ungarn), in der University School Of Art Gallery in Kent (Ohio), im Rathaus von Morez (Frankreich), der Sumida Riverside Hall in Tokyo (Japan), der Clay + Class Gallery in Waterloo (Ontario/Kanada) sowie im Deutschen Kulturinstitut in Tallin (Estland).
Die beeindruckende Liste ergänzt die Ausstellung im Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt, deren Vernissage am Freitag, 16. Januar 2004 um 18.00 Uhr im Beisein des Künstlers stattfindet. Musikalisch untermalt wird die Veranstaltung vom Akkordeon Konzertverein Darmstadt, der stimmungsvolle Kompositionen von Johann Sebastian Bach interpretiert.
Blick auf das Existenzielle - Ausstellung »Sichtbarkeit und Sperrschicht« am Fraunhofer IGD Darmstadt,
Presseinformation 01/2004 INI-GraphicsNet, 08. Januar 2004



Seit Andy Warhol ist man geeicht auf Gesichter und Dinge, die nur mehr in Umrissen vorkommen, in den schönsten Popfarben zu Erkennungszeichen ihrer selbst geworden sind und nicht zuletzt dadurch den schnellen, zupackenden Blick des heutigen "Medienmenschen" brauchen. Auch Achim R. Tandler, dessen Serigrafien derzeit in einer Ausstellung des Neustadter Kunstvereins zu sehen sind, setzt darauf. Der rasche "Zugriff", das vermeintlich garantierte Wiedererkennen der eigenen Zeitgenossenschaft mit dem Dargestellten, das sind Voraussetzungen, dass seine Kunst funktioniert und auch erfreuen kann.
Dabei spielt bei ihm das Original, sprich: seine eigene, unverwechselbare Handschrift, freilich noch eine große Rolle, das heißt, er geht erkennbar nicht von Fotos aus, sondern verlässt sich auf seinen eigenen, unverwechselbaren Schwung. Und noch ein großer Unterschied besteht zu dem berühmten, inzwischen ja selber zur Ikone gewordenen "factory-owner" aus New York: Tandlers Blätter huldigen ausschließlich den Frauen, seine Neigung zum Seriellen bezieht sich bislang keineswegs auf Coca-Cola-Flaschen, Automarken, berühmte Personen wie Marilyn oder Mao, auf italienische Erinnerungen höchstens wie "Chiuso" oder "Tavolo verde".
Aber auch Tandlers Kunst ist durchaus ein Flirt mit dem Trivialen. Denn eindeutig identifizierbare Individuen sind "Carolyn", "Aisha", "Caprice", überhaupt seine Mädchen-Akte gleichfalls nicht, sondern viel mehr doch - zugegeben - höchst ansehnliche Frauen von heute, wie man sie auf Friseur-Plakaten, den Titelblättern von Frauenzeitschriften oder auch in soften Männermagazinen finden kann.
Einzig ihre Einsamkeit hat Tandler diesen Frauen wiedergegeben, beziehungsweise gelassen, und damit ihre Verletzlichkeit ins Bild gerückt, wie sie sich so grün, blau, rot, grau und widerstandslos in die ihnen vom Künstler vorgegebenen harten Konturen schicken. Aber sie entsprechen doch zweifellos dem zeitgenössischen Schönheitsideal der verführerischen Kindfrau, mit der halben Haarsträhne im Gesicht, dem leicht durchgedrückten Rücken, den vage blickenden Augen, so dass ganz leicht der Pawlow'sche Reflex des heutigen Betrachters befriedigt wird: Da ist nichts, was irritiert, nein.
So sind die Frauen heute, kein Problem. Und gerade die ungetrübten Farben, die gekonnte Konzentration auf den schieren Umriss, das schließliche "Einfrieren" der Schönen unter hochglänzend glatten Email-Oberflächen suggerieren die schiere Unveränderbarkeit der Verhältnisse.
Dennoch: Tandler legt seine Methodik innerhalb der Ausstellung offen, man muss nur der raffinierten Hängung seiner Bilder folgen. So sind die Blätter "Bellezza I bis III" am Anfang des Rundgangs bei genauerem Hinschauen nur in der Leere schwebende Masken und doch genau so hübsch und gefällig wie die anderen, "direkt gemeinten" Mädchengesichter. Und zum Schluss rundet sich mit der nur mehr "Figur I bis III" genannten Sequenz auch das Bild. Denn, so ließe sich Tandler interpretieren, das menschliche Antlitz ist auch nur eine unter geometrischen Gesichtspunkten zu realisierende Fläche.
Das sitzt! Und macht so die Frauengestalten auf den Serigrafien wieder zu höchst lebendigen, diesseitigen Wesen.
(Gabriele Weingartner)
Rezension anlässlich der Ausstellung im Kunstverein Neustadt an der Weinstraße, “Die Rheinpfalz”, 01.10.2002
 
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